Der letzte Raubritter der Lüneburger Heide

Raubkammerforst:

Zu Moritz von Zahrenhusen gibt es mehrere Versionen der Sage vom letzten Raubritter der Lüneburger Heide, so soll er unter anderem auch auf der Burg Bode bei Ebstorf gelebt haben, und auch zu seinem Ende gibt es unterschiedliche Varianten, die folgende Geschichte scheint  jedoch die ursprüngliche zu sein:

Aus dem Geschlechte Zahrenhusen saß im 16. Jahrhundert einer auf der Burg Bockum nahe Amelinghausen. Von dort aus trieb er ein wildes Leben, und vor allem waren es die Handelsleute, denen er auf ihrem Wege durch die Heide auflauerte und ihre Waren stahl. In Amelinghausen gab es schon damals einen Markt, auf dem die Krämer der Kirchspielorte der ganzen umliegenden Heide ihre Waren einkauften. Dort war auch der Höker von Munster, um für seinen Laden einzukaufen; der hatte einen schlimmen Rückweg, denn von Amelinghausen nach Munster musste er die Raubkammer durchqueren, den noch jetzt so genannten großen Wald, der allen raublustigen Leuten ein gutes Versteck gewährte. Als der Höker sich in Amelinghausen gut versorgt hatte, raunte ihm ein Freund ins Ohr: "Höker, wahre die, Zahrenhusen is van dag hie und hät sehn, dat du wat köft häst." Und der Höker lud seine Donnerbüchse, ohne die er nie mit seinem Einspänner von Amelinghausen nach Hause fuhr, nahm aus seinem Bostdok (Brusttuch) einen silbernen Knopf und lud den mit hinein, denn: "dat Ding treppt". So gerüstet trat er ziemlich spät abends den Rückweg nach Munster an, seine Waren auf dem Wagen neben sich. Und als er an die Raubkammer kam, nicht fern von der Burg Bockum, da sprangen Zahrenhusen und sein Knecht aus dem Dickicht und fielen den Pferden in die Zügel. Der Höker aber war rasch, er ergriff seine Donnerbüchse und schoß auf Zahrenhusen, der silberne Knopf drang Zahrenhusen ins Herz, und er lag tot vor den Pferden. Sein Knecht aber rief: "O Zahrenhusen, o Zahrenhusen, wat will nu use Mutter seggen!" und damit entlief er und meldete der alten Mutter auf Burg Bockum, wie es ihrem Sohne ergangen war. So starb der letzte Raubritter der Lüneburger Heide.

Den Ritter Moritz von Zahrenhusen hat es tatsächlich gegeben, aber er war sicher kein Raubritter. Er erhielt 1569 vier Höfe in Bockum als Lehen, und wird 1568 und 1569 als Burghauptmann der Burg in Bleckede erwähnt. Zum Raubritter wurde er erst durch die die Erzählungen des 19. Jahrhunderts.

 

 

(Auszüge aus dem Buch „Moritz von Zahrenhusen“, von Lutz Tetau.)

Ein Wilderer aus Hützel

Hützel

 Im Jahr 1866 geriet der im Waldgebiet Raubkammer gelegene Ort unversehens in die Zeitungen. Am Gründonnerstag, dem 29. März, hatten Revierförster Müller von der Oberförsterei Rehrhof und Förster Werner aus Wulfsode (heutiger Landkreis Uelzen) tief im Forstrevier eine Besprechung mit ihren Haumeistern. Auf dem Heimweg stellten die Förster vier Wilddiebe. Die zwei waren schon dabei, sich von den rasch Entwaffneten die Personalien geben zu lassen, da gelang es einem der Wilddiebe, dem Dienstknecht Hüners aus Hützel, blitzschnell einer Flinte habhaft zu werden und auf die Förster anzulegen. Müller wurde tödlich getroffen. Werner erlitt so starke Verletzungen, dass er in der Nacht zum Karfreitag verschied. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurden die beiden Förster am ersten Ostertag auf dem Amelinghäuser Friedhof zur ewigen Ruhe gebettet. Das Schwurgericht Celle verurteilte Hüners zu 20 Jahren Kettenstrafe 1. Grades. Am 1. Juli begann die Strafverbüßung in der Kettenstrafanstalt Lüneburg, die Hüners nicht überlebte. Die an die beiden Förster erinnernde Grabplatte wurde inzwischen auf das Gelände der Amelinghäuser Kirche St. Hippolit verlegt.

Begegnung auf dem Immenhof

Hützel

Die sonderbarsten Geschichten, schreibt immer noch das Leben.

Dieses ist, wie ich meine, eine davon.

Es war im Jahr 1992, die Arbeiterwohlfahrt (AWO) hatte das bis dahin von ihr betriebene Kinderheim „Immenhof“ in Hützel, an einen „Geschäftsmann“ aus Hamburg verkauft. In diesen Jahren wurden von gewieften Leuten große Gewinne mit der Unterbringung von Flüchtlingen aus dem zerfallenden Jugoslawien und anderen Unruheherden im Osten gemacht. So sollte nun auch der Immenhof zu einem großen „Flüchtlingsasyl“ werden. Die Hützeler nahmen mit sehr gemischten Gefühlen an dieser Ausbeutung und Abwärtsentwicklung des Immenhofes Anteil.

Trotzdem mangelte es nicht an Bereitschaft, den Flüchtlingen bei Bedarf zu helfen.

Eines Tages rief mich meine Schwester an und sagte, dass eine vielköpfige deutsche Familie aus Tadschikistan in Hützel angekommen sei. Wir gingen hin, um zu fragen, ob wir irgendetwas für sie tun könnten. So lernten wir Maria kennen, die „Großmutter“ des tags zuvor angereisten Familienverbundes. Sie hatte ihre beiden Töchter, deren Männer und einige Enkelkinder in ihrer Obhut.

Maria freute sich über unser Hilfsangebot. Sie lud uns ein, mit ihnen allen eine Tasse Tee zu trinken. Wir zögerten nicht lange, setzten uns dazu und tranken mit ihnen das nach russischer Sitte stark gesüßte Getränk ihrer Heimat, während wir versuchten, uns ein Wenig miteinander bekannt zu machen.

Marias Alter war schwer einzuschätzen. Die vielen Ersatzzähne aus dunklem Metall in ihrem Gebiss, wirkten befremdlich, wenn sie sprach. Tatsächlich war sie erst 66 Jahre, schien aber weit älter als die meisten Frauen ihres Jahrganges, die im Westen gelebt hatten. Ihre beiden Töchter waren jünger, als wir. Man konnte sich aber auch bei ihnen täuschen, denn die wesentlich schwereren Lebensbedingungen, die sie alle gehabt hatten, waren ihnen deutlich anzusehen.

Wir lauschten fasziniert der Lebensgeschichte von Maria. Sie war als Wolgadeutsche geboren, und aufgewachsen. Das war eine Region in Russland, wo man Deutsch sprach, deutsches Brauchtum pflegte und lebte, als sei die Zeit stehen geblieben. Die Bauern dort hatten es im Auf und Ab der Geschichte nicht immer leicht gehabt, aber sie hatten ihre Heimat lieb gewonnen und es zu bescheidenem Wohlstand gebracht.

Marias Deutsch klang seltsam altertümlich. Sie sprach uns in der dritten Person an. Ganz so, wie es zu der Zeit in Deutschland üblich war, als ihre Vorfahren vor mehr als 200 Jahren auf Anwerbung der Regierung Katharinas der Großen, als Kolonisten in das ferne Zarenreich gezogen waren. Im Jahre 1924 war dieses Fleckchen Erde(so groß wie Belgien) mit verbrieften Sonderrechten der Regierung unter Lenin, sogar zur „Wolgarepublik“  ausgerufen worden. Man erhoffte sich seitens der kommunistischen Partei, mit Hilfe der Wolgadeutschen die Ideen des Kommunismus besser nach Deutschland transportieren zu können.

Als der 2. Weltkrieg ausbrach und deutsche Truppen nach Russland einfielen, hatten die deutschen Minderheiten in ihrer russischen Heimat einen sehr schweren Stand. Sie wurden, nicht assimiliert, wie sie waren, als Fremdkörper wahrgenommen. Man misstraute ihnen und feindete sie an. Im Laufe des Krieges wurde die Stellung der deutschstämmigen Russen vollends unhaltbar. Ohne Grund wurden Tausende von ihnen aus ihren Dörfern verschleppt und in die Verbannung geschickt. Als deutsche Soldaten auf dem Rückzug durch die Regionen dieser Minderheiten kamen, zogen viele Bewohner aus Angst vor weiteren Übergriffen der Russen, mit der geschlagenen Wehrmacht zurück nach Westen. So auch die siebzehnjährige Maria.

Die meiste Zeit ging sie zu Fuß, manchmal nahm ein Fahrzeug sie mit.

 Das Unglaubliche gelang. Maria schaffte es, bis nach Deutschland zu fliehen. Kurz bevor das „Dritte Reich“, bedingungslos kapitulieren musste, kam sie dort an. Sie wurde als Flüchtling auf einem Bauernhof einquartiert, wo sie im Haushalt arbeitete.

Maria war glücklich, im „gelobten Land“, der Heimat ihrer Vorfahren, angekommen zu sein. Doch das Gefühl war trügerisch…..!

Während Maria sich in Sicherheit wähnte, handelte die Allianz der Siegermächte in zähen Sitzungen die Grenzen der Besatzungszonen sowie die Bedingungen des Umgangs mit der Bevölkerung aus. Zu ihrem namenlosen Entsetzen, lieferten die Engländer das siebzehnjährige Mädel, das sich schon gerettet glaubte, wie viele, viele ihrer Schicksalsgenossen an die Russen aus.

Sie wurden nach Sibirien verschleppt, wo es ihnen mehr als übel erging. Sie mussten unter unmenschlichen Bedingungen schwerste Waldarbeit leisten. Es gab kein schützendes Dach über dem Kopf, kein Haus, keinen Ofen, - einfach nichts! Bis zu den Hüften im Schnee stehend, mussten Frauen wie Männer schwerste Waldarbeit leisten. Es wurden mit primitivstem Werkzeug Bäume gefällt und zuerst einmal einfache Blockhütten als Unterkünfte gebaut. Medizinische Versorgung gab es nicht. Wer das Unglück hatte, krank zu werden, der starb eben.

Bis Mitte der fünfziger Jahre lebten die deutschen Zwangsarbeiter recht und schlecht in Sibirien. Dann lockerten sich die politischen Verhältnisse etwas.

Die Familie, Maria hatte inzwischen geheiratet und Kinder bekommen, konnte wählen, ob sie nach Kasachstan oder Tadschikistan wandern wollte. Sie zogen nach Tadschikistan. Dort siedelte die sowjetische Regierung, wie in anderen asiatischen Provinzen auch, Bauern an, die Baumwolle anbauen mussten. Die Zwangs-Siedler schufen sich aus dem Nichts ein bescheidenes bisschen Wohlstand und Sicherheit. Maria beschrieb uns ihr Wohnhaus, dass sie aus alten Eisenbahnschwellen gebaut hatten, mit einem Garten und einer Viehweide drum herum.

Nun aber war im Zeichen von „Glasnost“ die durch Druck von Moskau zusammengehaltene „Sowjetunion“ instabil geworden. Marias Familie fühlte sich in Tadschikistan nicht mehr sicher. Es war zu erwarten, dass die einheimische Bevölkerung die ungeliebten russischen Besatzer eines nicht allzu fernen Tages vertreiben würde. Niemand wusste, wie es den deutschen Zwangs-Siedlern dabei ergehen würde. In dieser Zwickmühle nahm Maria all ihren Mut zusammen und versuchte noch einmal in das ferne Deutschland, die Heimat ihrer Vorfahren, zu gelangen. Sie stellte einen Ausreiseantrag und zu ihrer großen Erleichterung durfte die Familie das Land verlassen.

 

So gelangte sie mit dem Flugzeug nach Frankfurt und von dort in einer langen Nachtfahrt zu uns, nach Hützel, auf den Immenhof.

Einer ihrer Schwiegersöhne war auf der Reise krank geworden. Am Morgen nach der Ankunft wurde unser Dorfarzt zu ihm gerufen. Maria unterhielt sich mit dem Doktor und fragte ihn, wo in Deutschland sie denn nun eigentlich sei. Er erklärte ihr, dass sie in die „Lüneburger Heide“ gebracht worden wäre.Sie sah ihn verblüfft an und sagte: „Hier war ich schon einmal!“ Erstaunt ließ er sich die Geschichte ihrer ersten Flucht erzählen und fragte sie, wo sie denn damals gewesen sei. Sie konnte sich erinnern, dass der Hof, auf dem sie als Siebzehnjährige gewohnt und gearbeitet hatte, in einem Dorf namens „Heber“ lag. Der Arzt war sehr betroffen. Trotz seiner knapp bemessenen Zeit, lud er sie spontan ein, mit ihm zu fahren. Er brachte sie in den wenige Kilometer vom Immenhof entfernten Ort Heber. Maria erkannte auf Anhieb den Hof wieder und als sie dort nachfragte, konnte die Seniorin der Bauernfamilie sich noch lebhaft an die junge „Flüchtlingsdeern“ mit den blonden Zöpfen erinnern.

Welch eine wundersame Fügung!

Fast 50 Jahre nach ihrer traurigen Auslieferung führte das Leben Maria an genau die gleiche Stelle von damals zurück!

Meine Schwester und ich waren zutiefst angerührt von dieser unglaublichen Geschichte. Wir wollten schon damals einen Pressebericht publizieren und so viel Unterstützung wie möglich ankurbeln, damit Maria sich wenigstens nun im Alter in der Deutschen Heimat willkommen fühlen und schnell einleben sollte. Auf unseren Vorschlag, ihr Schicksal öffentlich zu machen reagierte sie jedoch äußerst verschreckt und angstvoll. Sie wollte darüber offiziell nichts sagen. Es hatten sie nicht alle Kinder nach Deutschland begleitet. Zwei Söhne waren noch in Russland geblieben, weil sie sich nicht vorstellen konnten, in Deutschland heimisch zu werden. Maria war felsenfest davon überzeugt, die verbliebenen Familienmitglieder hätten mit schlimmen Repressalien zu rechnen wenn sie ihre Geschichte verlauten ließe. Sie war um nichts in der Welt umzustimmen und daher begruben wir unseren Plan.

Irgendwann zog der Clan weiter nach Westen, in der Hoffnung dort Arbeit für alle zu finden. Von Maria haben wir nichts wieder gehört. So blieb uns nur zu hoffen, dass sie zum guten Ende doch noch ein einigermaßen sorgloses Leben in unserem Land gefunden hat.

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