Die Lüneburger Heide ist ein idyllischer Ort, sagen Touristen. Ihr habt damit Recht. Ihr werdet die Idylle umso mehr schätzen, wenn Ihr wisst, was hier alles passiert ist.
Oerbke zum Beispiel im Bezirk Osterheide wirkt lauschig. Es war lange ein kleines beschauliches Bauerndorf, so wie viele andere in der Heide. Als 1935 der Bau des Truppenübungsplatzes in Bergen begann, änderte sich schlagartig alles. Ackerflächen wurden vom Militär konfisziert, die Bauern mussten ihre Heimat verlassen und wurden zwangsumgesiedelt. Im 2. Weltkrieg legte die Wehrmacht hier für russische Gefangene eines von 12 “Stammlagern“ an, vom Militär Stalag genannt, Durchgangsstationen für Kriegsgefangene, die später in Munitionsfabriken, Zechen und andere industrielle Betriebe geschickt wurden. Weitere Stammlager bauten die Nazis in unmittelbarer Umgebung: in Wietzendorf und in Bergen Belsen, dem späteren Konzentrationslager.
Das Stalag in Oerbke bestand anfangs nur aus einer umzäunten Fläche. Die Gefangenen hausten in Erdhöhlen, die sie mit ihrem Essgeschirr selbst in den Boden hineingraben mussten. 30.000 Gefangene, vor allem russische Soldaten, starben jämmerlich. Sie verhungerten, erfroren oder starben an Seuchen. Die Toten wurden in Sammelgräbern verscharrt. Im April 1945 konnte die britische Armee 10.000 noch verbliebene Gefangene befreien. Direkt am Eingang zum Camp an der Fallingbosteler Straße steht ein Mahnmal. Das "Tor zur Freiheit" gedenkt der Kriegsgefangenen aus 13 Nationen, ebenso wie der benachbarte Friedhof der Namenlosen.
Nach dem Krieg nutzten die Briten den Ort als Internierungslager für Nazis, Anfang der 1950er Jahre wurden Vertriebene für kurze Zeit im Lager untergebracht. Später diente es der NATO als Kaserne. Das vorerst letzte Kapitel wurde im September 2015 geschrieben. 200 Geflüchtete, aus unterschiedlichsten Gründen aus ihrer Heimat vertrieben, finden in der Notunterkunft Oerbke ein neues Zuhause. Viele Menschen im Heidekreis engagieren sich ehrenamtlich, sie unterstützen die Neubürger bei der Integration. Eine Helferin erzählt mir: „Die Menschen, die ich hier kennengelernt habe, sind alle besonders. Sowohl unter den Flüchtlingen als auch unter den Helfern.“